Einführung
In vielen Windsurfforen wird über die Wirkung von Windsurffinnen diskutiert. Dabei werden die abenteuerlichsten Theorien darüber aufgestellt, wie die Seitenkräfte an einer Finne entstehen, was ein Spin-out ist und wie Finnen überhaupt wirken.
Mit dem folgendem Beitrag sollen die grundsätzlichen Zusammenhänge sachlich, physikalisch und auch für den Laien verständlich erklärt werden.
Um die Wirkung und den Zweck einer Finne zu verstehen, die ja nur ein Teil eines gesamten Windsurfsystems darstellt, müssen wir zunächst das Gesamtsystem beschreiben, um die wesentlichen Zusammenhänge zu begreifen.
Das Gleichgewichtsprinzip
Zur Beschreibung der Bewegung eines Windsurfbretts bedient man sich einer einfachen Betrachtung des Gleichgewichts aller angreifenden Kräfte und Momente (Kraft x Hebelarm). Die dafür notwendigen Beziehungen hat Isaac Newton bereits 1687 formuliert, und sie sind auch heute noch gültig.
Das Newtonsche Prinzip besagt, dass die Bewegung eines Körpers durch die Kräfte und Momente, die auf ihn einwirken, beschrieben werden kann. Bei jedem Körper, der sich in Ruhe oder in gleichförmiger Bewegung befindet, muss die Summe aller Kräfte und Momente gleich Null sein. Das heißt, die Kräfte müssen sich in ihrer Wirkung aufheben. Andernfalls würde der Körper beschleunigen oder verzögern.
Kräfte und Momente beim Windsurfen
Ohne nun im Einzelnen die aerodynamischen Kräfte des Segels (Luftkräfte) oder die hydrodynamischen Kräfte der Finne zu berechnen, lassen sich alle Kräfte aus den Gewichtskräften bestimmen, da sie mit den aero- und hydrodynamischen Kräften im Gleichgewicht stehen müssen.
Der Boardauftrieb
In Gleitfahrt wird der Auftrieb des Boards dynamisch durch die Wasserströmung des schrägangestellten Boards erzielt. Die Wasserströmung wird nach unten abgelenkt und erzeugt dadurch eine Kraft nach oben (Aktion = Reaktion), den Auftrieb, der das Gesamtgewicht trägt.
Aus der Gleichgewichtsbedingung ergibt sich: Auftrieb (Board) = Gewicht, (Bild 1)
Bild 1: Die Vertikalkräfte beim Windsurfbrett
Die Segel-, Board- und Finnenkräfte
Der Fahrtwind (scheinbarer Wind) erzeugt am Segel eine Gesamtluftkraft ungefähr senkrecht zur Anströmung. Diese Luftkraft kann man zerlegen in eine Komponente in Fahrtrichtung, das ist der Vortrieb, und eine Komponente senkrecht (quer) zur Brettachse, das ist die Segelseitenkraft.
Damit das Board mit konstanter Geschwindigkeit einen festen Kurs fährt, müssen alle angreifenden Kräfte und Momente im Gleichgewicht sein, also:
Vortrieb (Segel) = Widerstand (Board) und
Seitenkraft des Segels = Seitenkraft von Finne + Board
Darüber hinaus müssen alle Momente = 0 sein (Bild 2).
Bild 2: Die Horizontalkräfte am Windsurfbrett
Die Finnenseitenkraft wird in gleicher Weise wie die Luftkraft des Segels durch Anstellung der Finne zur Strömung im Wasser erreicht. Bei der Finne ist der Abdriftwinkel der Anstellwinkel, der für die Erzeugung der Seitenkraft erforderlich ist.
Alle physikalischen Phänomene zur Krafterzeugung an einem Tragflügel oder Segel gelten auch für die Finne. Nur ist die Dichte des umströmenden Mediums Wasser ca. 850-mal größer und die Zähigkeit 14-mal kleiner als die der Luft. Daher kann die Finne so sehr viel kleiner sein als das Segel, um die gleiche Kraft zu erzeugen. Die maßgebliche Geschwindigkeit für die Finne ist die Fahrgeschwindigkeit, für das Segel ist es der scheinbare Wind, der größer sein kann als die wahre Windgeschwindigkeit.
Segel- und Finnenkraft
Welche Kraft wird nun vom Segel erzeugt, die die Finne aufnehmen muss?
Dazu schauen wir uns das Board mit Segel von vorn mit den angreifenden Kräften und Momenten an.
Aus der Gleichgewichtsbedingung: Summe aller Momente gleich Null, ergibt sich, dass die maximale Segelseitenkraft nicht größer als ein bestimmter Anteil des Körpergewichts (Gewichtskraft) sein kann, andernfalls würde der Surfer vom Segel über das Brett gezogen (Bild 3).
Das heißt, dass unter allen Bedingungen, egal wie stark der Wind ist, wie schnell man fährt, welchen Kurs man fährt, wie groß das Segel ist, die Segelseitenkraft, die auf das Brett bzw. die Finne wirkt, in seiner Größe begrenzt ist.
Aufgrund der geometrischen Abmessungen ergibt sich eine maximale Seitenkraft von ca. 37,5 % des Körpergewichts, die ausgeglichen werden kann (Bild 3).
Bei 80 kg Körpergewicht sind das 30 kg, bei 100 kg entsprechend 37,5 kg.
(Als Einheit der Kraft müsste korrekt die Einheit Newton verwendet werden (37,5 kg = 367,8 N), Zur besseren Veranschaulichung verwenden wir die Einheit kg für die Gewichtskraft wie im allgemeinen Sprachgebrauch üblich.)
Damit ist die Kraft, die die Finne maximal aufbringen muss, festgelegt, sie hängt nur vom Körpergewicht des Windsurfers ab. Ein kleiner Anteil kann auch noch vom Board aufgebracht werden, im Wesentlichen muss aber die Finne die Last tragen. Mehr Finnenkraft wird allerdings bei größerer Heckbreite des Boards benötigt, da das zusätzliche Moment, das der Surfer auf das Brett ausübt, durch die Finne kompensiert werden muss.
Bild 3 (links): Segel- und Finnenkraft
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