Die Finne
Definitionen
Zur Beschreibung der Finnen- und Profilgeometrie werden folgende charakteristische Größen gemäß den Bildern 4 und 5 verwendet.
Bild 4: Finnenbezeichnungen
Bild 5: Profilbezeichnungen
Einfluss auf die hydrodynamische Güte der Finne haben die Länge, das Seitenverhältnis, die Zuspitzung, die Fläche, die relative Profildicke, die maximale Dickenrücklage, der Nasenradius an der Vorderkante und die Zuspitzung des Profils in Richtung Hinterkante.
Erzeugung von Auftrieb und Widerstand
Wie erfolgt nun die Seitenkrafterzeugung? Da die Finne ein kleiner Flügel ist, bezeichnet man die auftretenden Kräfte auch als Auftrieb und Widerstand, weil diese Kräfte etwas über die Güte der Finne aussagen. Nur dadurch, dass die Finne senkrecht zum Board steht, wird aus dem Auftrieb eine Seitenkraft. Die Krafterzeugung ist aber identisch zur Auftriebserzeugung am Flügel.
Die Erzeugung eines Auftriebs durch einen angeströmten Flügel entsteht durch Anstellung (Anstellwinkel) des Flügelprofils zur Anströmung (Bild 6). Die Umströmung ist dadurch nicht mehr symmetrisch, sondern auf der oberen Seite muss die Strömung einen längeren Weg zurücklegen als auf der Unterseite. Sie strömt auf der Oberseite schneller und dadurch wird der Druck in der Strömung geringer (Unterdruck) als auf der anderen Seite (Überdruck). Der Druckunterschied bewirkt die Auftriebskraft. Mit der Auftriebserzeugung ist immer ein Widerstand verbunden, dessen Größe von der Profilgeometrie und den Reibungskräften der Wassermoleküle an der Finnenoberfläche abhängt.
Bild 6: Strömung und Auftrieb am Profil
Der Auftrieb vergrößert sich praktisch linear mit dem Anstellwinkel, bis der Winkel so groß wird, dass die Strömung der Krümmung nicht mehr folgen kann und die Strömung abreißt (Bild 7). Damit fällt der Auftrieb zusammen, die Finne wird wirkungslos. Das ist der Spin-out beim Windsurfen.
Bild 7: Strömungsabriss am Profil
Bis zu welchen Anstellwinkeln die Strömung noch anliegt, hängt vom Profil ab. Bei dünnen Profilen mit scharfer Nase (Vorderkante) erfolgt der Abriss relativ früh, bei dickeren Profilen mit runder Nase erst bei größeren Anstellwinkeln.
Weiterhin entscheidet das Profil, wie hoch der Widerstand im gesamten Arbeitsbereich ist. Neuere Laminarprofile liefern in einem begrenzten Anstellwinkelbereich wesentlich weniger Widerstand als herkömmliche Profile, weil die Strömung nahe der Oberfläche turbulenzfrei verläuft. Voraussetzung ist eine glatte Oberfläche und keine Beschädigungen an der Nase der Finne.
Die Leistung der Finne ist sehr stark von der Reynoldszahl abhängig. Die Reynoldszahl ist eine Verhältniszahl von Trägheitskräften zu Zähigkeitskräften in der Strömung, also sehr von der Strömungsgeschwindigkeit abhängig. Wasser ist z. B. 14-mal weniger zäh als Luft. Inzwischen gibt es neuere Profilentwicklungen, die gerade bei kleineren Reynoldszahlen (niedrige Geschwindigkeit) noch gute Resultate liefern.
Profilpolare
Profileigenschaften lassen sich anschaulich im Diagramm „Auftrieb über dem Anstellwinkel“ darstellen. Ein Vergleich verschiedener Profile lässt sofort die Leistungsunterschiede erkennen. Bild 8 zeigt zwei verschiedene Polaren (A und B).
Beide Finnen haben den gleichen linearen Auftriebsverlauf bei Vergrößerung des Anstellwinkels. Bei Profil B reißt die Strömung aber bereits bei 9 Grad ab (Spin-out), während Profil A bis zueinem Anstellwinkel von 13 Grad noch anliegende Strömung zeigt, bis die Strömung abreißt. Damit liefert Profil A wesentlich mehr Auftrieb und kann bei niedrigeren Geschwindigkeiten noch hinreichend Auftrieb erzeugen und erlaubt wesentlich besseres Höhelaufen.
Bild 8: Profilpolare
Für die gesamte Finne als dreidimensionaler endlicher Flügel sind die Kräfte Auftrieb, Widerstand und die Momente proportional zu
- der Dichte des Wassers,
- dem Quadrat der Geschwindigkeit,
- der Finnenfläche,
- dem Anstellwinkel und
- der Profilgeometrie.
Neben dem Profil ist wie beim Segel die entscheidende Größe die Fläche. Eine große Flächebedeutet mehr Auftrieb, aber auch mehr Widerstand. Weiterhin kann die Finnenleistung durch die Geometrie der Finne optimiert werden. Lange schlanke Finnen, wie bei den Slalomfinnen, haben ein sehr gutes Verhältnis von Auftrieb zum Widerstand, sind hydrodynamisch also sehr effizient (siehe auch Segelflugzeuge mit sehr großen Spannweiten und schlanken Flügeln). Um einen Strömungsabriss (Spin-out) zu vermeiden, muss die Finnenfläche so gewählt werden, dass unter allen Bedingungen die erforderliche Kraft erzeugt werden kann, ohne in den Abreißbereich zu gelangen. Es gibt aber auch Zustände, wo die Finne, weil sie nicht immer im Wasser ist, wegen des Unterdrucks Luft ansaugt, und dann kommt es ebenfalls zum Strömungsabriss. Darüber hinaus gibt es dynamische Vorgänge wie z. B. radikale Manöver, bei denen kurzzeitig sehr viel Druck auf das Brett gegeben wird, was ebenfalls zum Strömungsabriss führen kann.
Neben der Leistungsoptimierung sind auch noch die Fahreigenschaften zu berücksichtigen, die durch die Finnengröße, Finnenform, den Rake (Pfeilung) und die Steifigkeit bestimmt werden.
Spin-out
Beim Windsurfen wird der Zusammenbruch des Auftriebs beim Ablösen der Strömung als Spin-Out bezeichnet. In der Luftfahrt verwendet man die Bezeichnung Strömungsabriss (englisch: „stall“). Ein Strömungsabriss beim Flugzeug ist sehr gefährlich und kann zum Trudeln und Absturz führen. Entweder wird das Stallverhalten durch Profilauswahl über der Spannweite beherrschbar gemacht oder bzw. heutzutage durch elektronische Begrenzungsfunktionen („fly-by-wire“) verhindert.
Kavitation
Häufig wird im Zusammenhang des Spin-outs auch von Kavitation gesprochen. Kavitation ist allerdings ein ganz anderes physikalisches Phänomen als der Strömungsabriss. Von Kavitation spricht man, wenn der Unterdruck am Profil gleich dem Dampfdruck des Wassers ist. Das Wasser verdampft bei dem niedrigen Druck und es bilden sich Dampfblasen an der Oberfläche der Finne, die zu einem Verlust des Auftriebs und Erhöhung des Widerstandes führen. Kavitation kann bei sehr hohen Geschwindigkeiten auch bei kleinen Anstellwinkeln auftreten. Bei Schiffspropellern ist Kavitation ein großes Problem, da die Dampfblasen zur Zerstörung des Propellermaterials führen können.
Steifigkeit, Flex und Twist (Bild 9)
Die Steifigkeit wird durch die elastischen Eigenschaften des Materials der Finne bestimmt. Die Belastung der Finne verursacht ein Wegbiegen (Ausweichen), welches die Anströmung des Profils verändert. Je größer die Biegung (Flex), desto größer ist die Abweichung von der idealen Auftriebsverteilung. Biegung verursacht eine Reduzierung der Seitenkraft und damit eine Reduzierung der Leistung. Flex lässt sich bei sehr langen Finnen nicht vermeiden, es gibt kein Material mit unendlich hohen Steifigkeitswerten. Es gibt allerdings auch Gründe, einen gewissen Flex aus Fahreigenschaftsgründen einzubauen, um ein etwas indirekteres Fahrgefühl zu erzeugen.
Bild 9: Steifigkeit, Durchbiegung (Flex) und Torsion (Twist)
Twist
Twist ist eine Verdrehung der Finne um die Längsachse. Twist kann nur entstehen, wenn die Finne gepfeilt ist und die Kraft außerhalb der elastischen Achse angreift, also ein Drehmoment vorhanden ist. Dadurch dass sich das Profil in Richtung der Strömung dreht, wird der Anstellwinkel verringert, was einen Spin-out örtlich verringern kann. Allerdings bedeutet das immer einen Leistungsverlust. Twist ist vergleichbar mit dem Twist im Segel, das bei Böen ausweicht, während die Finne bei erhöhtem Druck ausweicht.
Finne und Fahreigenschaften
Die bisherigen leistungsmäßigen Betrachtungen waren grundsätzlicher Art und lassen sichverhältnismäßig einfach darstellen.
Wie schnell ein Board bei jedem Kurswinkel ist, wie viel Höhe man laufen kann, all das lässt sich dank GPS heutzutage relativ einfach vermessen. Einfach ist es auch noch festzustellen, ob die Finne zum Spin-out neigt oder nicht.
Viel schwieriger ist es, Fahreigenschaften wie Stabilität, Kontrollierbarkeit, Agilität, Verhalten in der Welle oder bei Moves objektiv zu bestimmen bzw. zu berechnen, da die Fahreigenschaften eines Windsurfboards durch das Segel, das Brett und die Finne bestimmt werden. Darüber hinaus sind sie extrem vom Können und persönlichen Vorlieben des Windsurfers in ihrer Beurteilung abhängig. Was der eine Surfer als agil bezeichnet, muss der andere noch lange nicht als agil empfinden, weil er ganz andere Ansprüche stellt.
In gleicher Weise, wie bisher Boards oder Segel getestet werden, lassen sich auch Finnen testen und nach entsprechenden fahrdynamischen Bewertungskriterien beurteilen. Dabei muss aber darauf geachtet werden, dass man die Testbedingungen konstant hält, gleicher Fahrer, gleiches Brett, gleiches Segel, gleiche Bedingungen und gleiche Finnenfläche.
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